"Weisst du, ich vermisse das Meer doch sehr. Diese Weite und den Salzgeruch", sagte sie, an der Nordseeküste aufgewachsen, zu mir, als wir durch die waldigen Hügel Ithacas liefen. Ich konnte sie so gut verstehen und gleichzeitig überhaupt nicht. Nach einigen Monaten in der flachen Landschaft Ontarios hatte ich endlich wieder Steigung unter den Füssen, war in einer Landschaft, die meinem heimatlichen Appenzellerland ähnelte. Wie sollte man sich da nach dem Meer sehnen?
Es ist erstaunlich, wie sehr die Landschaft, diese lokale Verformung der Erdkruste, unser Wohlbefinden beeinflusst und wie sehr sie die Kindheit prägt. Wenn auch ich mittlerweile eine gewisse, nicht nur physische, Distanz zum Appenzellerland aufgebaut habe, so ist die Liebe und Verklärung dieser Landschaft das einzige Zugeständnis an Nostalgie, das ich mir gestatte. Die Hügel, die grünen, von denen ein Duft ausgeht, den ich als "zu Hause", das Tourismusbüro als "würzig" und der gemeine Appenzeller als "Bschötti" bezeichnet, nahm ich in meiner Kindheit einfach so hin. Ein bewusstes Entdecken der Landschaft des Appenzelllerlandes erfuhr ich buchstäblich, als ich an das Gymnasium wechselte. Eine Stunde im oberen Postautostock. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir die Stimmungen, die sich bei Sonnenaufgang ergaben: "sichtbare" Sonnenstrahlen, kleine Nebelbänke, das Zusammenspiel von Wolken und Licht, die hügelige Landschaft aus Wiesen, von einigen Wäldern durchbrochen, die Häuser als Streusiedlung mit einer leicht erhöhten Konzentration in den Dorfzentren und im Hintergrund den Alpstein, das alles entdeckte ich plötzlich. Diese Landschaft, meine Landschaft.
Heute komme ich nur noch zu Besuch ins Appenzellerland. Auch wenn die neuen Landschaften, in denen ich gewohnt habe und wohne, schön sind, so hängt doch immer ein Photo vom Appenzellerland in meinem Zimmer, fürs Wohlbefinden eben. Und manchmal, aber nur manchmal, singe ich leise, ob der kitschigen Anwandlung über mich selbst entsetzt, das Lied von Walter Koller und Hans Schläpfer:
"Me hend e schös Ländli, goths eu au wie ös?
Me gäbids nüd zchaufe om gär e kän Priis..."
Die Landschaft hat mich geprägt. Mehr als mir lieb ist.
Christine
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